Schon Wochen vorher kündigen große Plakate das Ereignis an: Stadtfest. Es ist das 14.; seit 28 Jahren feiert sich die „Metropole der Region“ (Eigenwerbung) alle zwei Jahre einmal selbst..
Die Stadt ist sehr klein, drei Buchstaben auf dem Autokennzeichen, keine Straßenbahn, dafür jedoch mehrere überregionale Buslinien, die zur Hauptverkehrszeit sogar im 30-Minuten-Takt verkehren, ansonsten eher stündlich. Ab 20:30 überhaupt nicht mehr, wozu auch? Geht doch eh keiner aus, gibt ja auch nichts. Und in die Kneipe, also wirklich, die paar Meter, echt... Die Disco ist allerdings „echt!“ immer ein Problem, die ist nur mit dem Auto zu erreichen, da muss man sich dann kümmern, wer fährt bei wem mit, wer bleibt nüchtern (es will ja keiner als Schlagzeile bei RTL 2 enden).
Die Region ist wirtschaftlich schwach, sie bildet in der Statistik des Bundeslandes regelmäßig das Schlusslicht und hängt finanziell am Tropf des Landes. Besonders jetzt, da vor drei oder vier Jahren oder so auch noch die letzte nennenswerte Industrie aufgekauft und dichtgemacht wurde.
Ja, klar, es muss hier was passieren, der Standort, bessere Infrastruktur, neue Arbeitsplätze, wahlkampfversprechen Politiker aller Couleur gerne, wenn sie wieder mal auf Wahlkampfversprechtournee auch in diesem verschlafenen Flecken sind – ungern, man muss es wirklich so sagen –, und manch einer dieser Wahlkampfversprechreisenden fragt sich insgeheim, ob es nicht günstiger wäre, die Stadt einfach abzureißen und eine Autobahn drüberzubauen. Darüber nachdenken darf ja man wohl noch, im Hotelzimmer...
Wenige Tage vor dem „Fest der Guten Laune!“ herrscht rege Geschäftigkeit in der Innenstadt. Die zuständige Behörde hat die Hauptstraße (die hier wirklich so heißt) mit allen Nebenstraßen für den Fahrzeugverkehr gesperrt (Lieferanten und Anwohner ausgenommen), ganz unbürokratisch, so einfach geht das! Bühnen werden aufgebaut, ebenso wie die zahlreichen unvermeidlichen Bier- und Wurstbuden und die Stände für den in Großserie handgebastelten Esoterikramsch: Duftlampen, Kerzen, Ohrgehänge, die am ersten sogenannten Ausgehabend sofort irgendwo hängen bleiben und kaputtgehen. Sogar einige Fahrgeschäfte gibt es, vornehmlich Karussells für die Kleinen. Und einen Autoscooter – für die Kleingebliebenen, also die Großen. Denn – und gerade die! – wollen ja auch mal.
Die Plakate, die flächendeckend über das ganze Städtchen verklebt wurden, werben mit weltberühmten Stars und vielen Attraktionen. Kulturprogramm auf Weltniveau. Sogar an der Autobahn wurde plakatiert, in der Hoffnung, dass sich vielleicht doch der eine oder andere Tourist in diese Stadt verirrt. Verirrt sich aber keiner. Noch nicht mal versehentlich. Leider, denn die Stadt ist ein städtebauliches und touristisches Kleinod. Schreibt jedenfalls der Reiseführer, da steht es drin, und dann muss es ja auch stimmen.
Der Freitagabend gehört der Jugend. Technofest im Bürgerhaus, um 18:00 Uhr geht’s los, damit auch die Jüngsten mitfeiern können. Das alles freilich unter den wachsamen Augen der braven Polizei, damit auch keiner der „Technojünger“ (Lokalblatt) womöglich mit Rauschgift in Berührung kommt. Die DJs heißen Micha und Olli oder so und sind außerhalb des Landkreises so gut wie unbekannt. Sie haben eine mobile Disko und „die aktuellsten Topknüller und heißesten Scheiben“. Die sie aber heute wohl nicht spielen, denn ihr „Set“ bewegt sich stilistisch „somewhere over the rainbow“: Marusha, Westbam, und der alte Technonazi Scooter darf da natürlich auch nicht fehlen. Keine Platte jünger als 7 Jahre. Sogar DJ Bobo wird hier anstandslos als „geile Technomucke“ durchgewunken. Einige Scheinwerfer und Lichteffekte simulieren Berlin oder Frankfurt, jedenfalls Weltstadt. Sogar ein Laser wurde extra angemietet und um neun gibt es eine Lasershow, dann aber bitte alle die Tanzfläche verlassen, aus Sicherheitsgründen, wegen des Laserstrahls.
Um 22:00 unterbricht Olli oder Micha oder so die Musik. Alle unter 16 müssen jetzt leider nach Hause gehen, aber ist ja auch schon spät und wir machen hier noch ein bisschen, aber auch nicht mehr sooo lange („keine Angst, ihr verpasst schon nichts!“). Und tatsächlich endet diese rauschende Party gegen 0:30. Und es hat wirklich keiner was verpasst...
Am Samstagvormittag die offizielle Eröffnung des Stadtfestes durch den Oberbürgermeister. Er ist recht dick und bester Laune. Artig bedankt er sich bei den zahlreichen Sponsoren: Der örtlichen Brauerei, dem Lokalblatt, einem Autohändler („dem Größten am Platze“) und der Regionalverkehrsgesellschaft. Die Stadt hat kein Geld – strukturschwache Gegend! – und ohne die Unterstützung der Sponsoren wäre dieses Fest wohl noch bescheidener ausgefallen. Er wünscht allen viel Freude und tolle Stimmung auf diesem „Fest der Guten Laune!“ Dann schmettert die Blaskapelle des Schützenvereins „Oh when the Saints“, und der Oberbürgermeister darf sogar den Taktstock schwingen. Die Kapelle lässt sich davon nicht aus dem Takt bringen, sie ist es vom alljährlichen Schützenfest gewohnt, da dürfen sogar sichtlich Angetrunkene mal dirigieren, wenn sie dafür ordentlich Geld in die Vereinskasse spenden (gegen Quittung, da steuerlich absetzbar).
Die Buden sind bunt geschmückt, manche sogar grell beleuchtet. Besonders tut sich dabei der „Sympathie-Grill“ hervor, dessen Stand nicht nur überall mit kleinen Transparente mit der Aufschrift „Stimmung!“ geschmückt ist, sondern auch „Gute-Laune“-Bier anbietet. Von dem bereits am frühen Nachmittag einige Besucher dermaßen leicht beschwipst sind, dass sie ihrer guten Laune nur mehr lautstark und undeutlich Ausdruck geben können.
Die erste Umbaupause auf der Hauptbühne wird moderiert von einem Autoverkäufer, der sich in ein lustiges Clownskostüm geworfen hat. Seine Show heißt „Kinderquatsch mit Bommi“: Eltern verfrachten ihre Kinder auf die Bühne, auf dass sie ein Gedicht aufsagen, einen Schlager trällern, aber leider hauptsächlich „Mammi“ oder „Papi“ krähen, sonst aber skeptisch das Mikrofon oder den Clown anglotzen. Im Publikum die fotografierenden (Papa) und winkenden (Mammi) Eltern, sichtlich stolz auf ihren Nachwuchs.
Gegen 15:30 der erste Showact: Eine Rockband mit dem hitparadenverdächtigen Namen „Stones ‚n’ Roses“, die – laut Lokalpresse – mit ihren „gekonnt vorgetragenen Versionen der Hits der Rolling Stones und Guns n Roses und einer professionellen Rockshow besticht“. Die fünf Mitglieder: Gerhard „Mick Rose“-Gesang, Werner „Keith Rose“-Rhythmusgitarre, am Bass Hubert „Axl Stone“, hinter dem Schlagzeug Jens-Uwe „Charly Rose“, und die Leadgitarre spielt Arno, der sich jetzt aber nicht etwa „Slash“ nennt, das war ihm wohl zu blöd, sondern „Bär“. So sehen sie übrigens alle aus, und Bär ist auch der Manager der Band, die nun seit inzwischen einem Vierteljahrhundert „jedes Fest (auch Hochzeiten) zum Kochen bringt“.
„Mick“ betritt die Bühne, als wähne er sich in einem Stadion. Sein bratwurstvertilgendes Millionenpublikum begrüßt er mit einem „Are you ready to rock?!“, worauf ein verhaltenes „Jäää“ ertönt. Ihr erstes Lied – nicht etwa gleich „Satisfaction“ oder so, nein – ist selbstgeschrieben und heißt „Born To Rock“. Und so klingt das auch. Born To Rock. Der Traum von einem kleinen Stück vom großen Kuchen.
Vor der Bühne einige ekstatisch tanzende Damen, nicht mehr ganz die jüngsten (aber junggeblieben), es sind die Frauen, die Bandfrauen. Sie sind bei jedem „Gig“ dabei und trinken die ganze Zeit Apfelschorle oder Wasser, denn sie müssen später „die Jungs“ wieder nach Hause fahren, wenn die während und nach der Show ein paar Bierchen zischen. Später werden sie erzählen, dass sie „mal wieder gequalmt haben wie die Fabrikschlote“ (5 Lord Extra).
Die Band besticht wirklich durch ihren zweieinhalbstündigen Vortrag (mit Pause), und bei „Knocking on Heavens Door“ bleibt kein Auge trocken und die Bic-Einweg-Feuerzeuge und Zippos werden hochgehalten.
An den Nebenschauplätzen – den Nebenbühnen – zeigen „Petticoat“ (Hits der fünfziger und sechziger Jahre) und „No Respect“ (Das beste der goldenen Siebziger) ihr Können. Dazu tanzen bierbäuchige Herren mit ebenfalls nicht gerade gertenschlanken, dafür abwegig geschminkten Damen, denen man gerne glaubt , dass sie die große Zeit des Rock n Roll noch bewusst miterlebt haben. Ist ja auch lustig, haha, das Ganze hier.
Um 18:30 kehrt so etwas wie Ruhe ein. Die Ruhe vor dem Sturm? Viele gehen kurz nach Hause, die Kinder müssen ja auch ins Bett, Abendessen, Omi passt auf die „Kids“ auf (ein Anglizismus, der sich sogar hier(!) durchgesetzt hat), denn nachher ist ja noch die große „Schou“.
Auf die man sehr gespannt sein darf!
Hinter der großen Showbühne, verbauzaunt in der „Backstage“ (Imbisswagen, Dixie-Klos, Biertische und –bänke, einige Wohnmobile), finden sich schon seit dem späteren Nachmittag die richtigen Künstler ein. An der Latrine vor dem großen Tor ein paar lederbewestete Ausweismonster. Ach ja, Backstage, da darf nicht jeder rein. Noch nicht mal die Lokalprominenz. Aber die mischt sich ja auch lieber unters Volk. Nur nichts verpassen!
Die „Show“ wird moderiert vom Uwe Hübner, dem Moderator, dessen Hitparade nun irgendwo bei den nicht ganz so wichtigen „Privaten“ ausgestrahlt wird. In seinem Gepäck mitgebracht hat er allerlei Schlagerfossilien, die überhaupt nur noch auf Stadtfesten, Möbelhauseröffnungen, Kaffeefahrten oder aber – als völliger Abstieg – bei Ingo Dubinsky's "Wunschbox" auftreten dürfen: Mary Roos, Tina York, Gabi Baginski, Achim Menzel, Veronika Fischer und – oh! – Die Puhdys!
Zwischen den einzelnen „weltberühmten“ Stars – alle, alle sind sie hier „weltberühmt“, so weltberühmt, dass sogar diese Stadt einmal kurz so sein darf wie die „Weltstadt Berlin“ (Uwe Hübner) – macht Uwe Hübner Witze, ermuntert zu „noch einem kleinen Bierchen, na?“ oder einer Bratwurst oder – nein, Kebap gibt es hier leider nicht, schade...
Immerhin, die Show ist professionell, sogar das Regionalfernsehen dreht einen kurzen Bericht. Gegen 22:50 kommen die Zugaben, die vom Publikum wohl lautstark verlangt würden, wäre diese Veranstaltung nicht kostenlos. Zugaben also, bis zum Geht-Nicht-Mehr, aber um 23:30 ist dann aber auch endgültig Schluss, die Stars müssen ins Hotel, der Moderator auch, und es haben sich einige Anwohner über den Krach beschwert. Hinter der Bühne werden noch ein paar Autogramme und Mützen verteilt; glücklich und zufrieden gehen alle nach Hause.
Der Sonntag steht dann nicht mehr so ganz im Focus des allgemeinen Interesses. Während die Hauptbühne bereits schon halb demontiert ist, Heimkehrer auch die letzten Betrunkenen heim gekehrt haben, geben die Laienspielgruppe der Volkshochschule sowie die Akkordeonklasse der ortsansässigen Musikschule ihr Bestes. Dazwischen eine „Talkshow“ mit lokalen Politikern, durch das Programm führt ein Moderator des Offenen Kanals. Fragen darf man stellen, Fragen, die auf den Fingern brennen: Warum hier keine Wirtschaftsförderung und so. Die wichtigste Frage an die Lokalpolitiker stellt freilich keiner: Wir haben 8 Millionen Arbeitslose – was grinsen Sie eigentlich so blöd?
Lolcat-Übersetzer
Für alle, die schon immer seinen oder ihren abfotografierten...
by seattledirk (19:29)
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